Dekarbonisierungsstudie von ecofys analysiert Herausforderungen für die Zukunft der Energieversorgung. Zentrales Ergebnis: Bei Verkehr und Wärme größtes Potenzial.
Wien ist laut Mercer-Studie 2018 die lebenswerteste Stadt der Welt. Mit 2,5 Millionen Einwohnern bis 2050 wird sie eines der dynamischsten Ballungsgebiete in Europa bleiben. Das bedeutet große Herausforderungen für Energieversorgung, Mobilität und Klimaschutz.
„Als Österreichs größter regionaler Energieversorger und Energiedienstleister wissen wir um unsere Verantwortung für die nächsten Generationen. Wir wollen in unserem Bereich einen Beitrag leisten und Wege und Kosten aufzeigen, wie Wien bis 2050 seine CO2-Emissionen massiv reduzieren kann – darauf legen wir unseren ganzen unternehmerisch-strategischen Fokus“, erklärt der Vorsitzende der Wien Energie-Geschäftsführung Michael Strebl. Den Rahmen für dieses ambitionierte Ziel bildet eine Energie-Zukunftsstudie des renommierten deutschen Energieforschungs- und -Beratungsunternehmens ecofys. Die Studie wurde am 22. Mai vor Branchen-Experten und Wissenschaftlern in Wien öffentlich präsentiert und diskutiert.
Zentrales Ergebnis der Studie ist, dass die Verkehrs- und Wärmewende das größte Potenzial zur Dekarbonisierung bietet. Somit muss die Dekarbonisierung des Energiesystems über die Umstellung auf erneuerbaren Strom hinausgedacht und über den gesamten Energiebedarf in den Sektoren Wärme, Mobilität und Strom geplant, gesteuert und umgesetzt werden.
Die Analyse ergibt: Die Treibhausgasemissionen bei Wärme, Mobilität und Strom müssen drastisch reduziert werden, um dem Klimaschutzziel gerecht zu werden. „Die Städte spielen dabei die entscheidende Rolle. Ohne den Großraum Wien werden wir in Österreich die Klimaziele nicht erreichen können. Dekarbonisierung ist daher eine gemeinsame Kraftanstrengung. Alle gesellschaftlich relevanten Player müssen an einem Strang ziehen – Bund, Länder, Städte und Gemeinden, aber auch Wirtschaft und Industrie“, appelliert Strebl an die gemeinsame Verantwortung aller.
Im Sektor Wärme, so die ecofys-Studie, muss die dezentrale Erzeugung etwa durch Wärmepumpen und Niedertemperaturnetze forciert werden. Um die zentrale Wärmeversorgung Wiens künftig emissionsfrei zu gestalten, ist eine Umstellung auf regenerative Fernwärme notwendig. Geothermie und Großwärmepumpen bieten hierfür das größte Potenzial. Zudem ist Fernwärme die günstigste Wärmemaßnahme zur Dekarbonisierung in Städten. Zur Spitzenlastabdeckung sind auch noch in 2050 gasbetriebene zentrale und dezentrale Wärmeerzeuger inklusive Gasnetz erforderlich – bei vollständiger Dekarbonisierung muss der Brennstoffbedarf jedoch über Grünes Gas (erneuerbare Kraft- und Brennstoffe) abgedeckt werden. Als Technologien wären hier beispielsweise Waste-to-Biogas oder Power-to-Gas denkbar. Mit Umsetzung der Dekarbonisierungsmaßnahmen lässt sich der Endenergiebedarf im Bereich Wärme von derzeit rund 19 auf 13 Terawattstunden bis 2050 senken.
Strebl: „Wir sind hier bereits initiativ. Am Kraftwerksstandort Simmering errichten wir bis Herbst die größte und leistungsstärkste Großwärmepumpe Mitteleuropas. Für Österreich und Wien ist das ein Vorzeigeprojekt für hochmoderne, umweltfreundliche Wärmeversorgung. Diese leistungsstarke Anlage wird zukünftig 25.000 Wiener Haushalte sicher und zuverlässig mit Fernwärme versorgen und dabei 40.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.“
Zum Thema Geothermie läuft derzeit in Kooperation mit der OMV und Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft ein Forschungsprojekt zur Erkundung möglicher Potenziale für umweltfreundliche Energie aus Erdwärme. „Für Projekte dieser Art, die helfen, Österreich CO2-frei zu machen, brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen und Förderzusagen. Der Systemwechsel wird ohne Unterstützung der öffentlichen Hand nicht gelingen“, so Strebl.
Auf den Wärmesektor bei Haushalten und Gewerbe entfällt mit über 40 Prozent der größte Teil des Energieverbrauchs. Laut ecofys-Studie liegt hier beim Klimaschutz der effektivste, aber auch teuerste Hebel. Daher ist dort ohne eine entsprechende Schwerpunktsetzung des Bundes und dann der Länder und Gemeinden die Dekarbonisierung nicht zu erreichen.
Um die Mobilität der Zukunft nachhaltig zu gestalten, muss ein grundsätzlicher Wechsel vom motorisierten Individualverkehr hin zu einer verstärkten Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, des Fahrrads sowie mehr Fußwegen erfolgen. Für den PKW- und leichten Nutzfahrzeugverkehr ist ein Umstieg auf Elektromobilität erforderlich. Beim Schwerlastverkehr ist aufgrund spezifischer Anforderungen (lange Strecken, kurze Stoppzeiten) ein Umstieg auf Grünes Gas (z.B. Wasserstoff) notwendig. Durch Umstellung auf E-Mobilität und erneuerbare Kraftstoffe lässt sich der Endenergieverbrauch bis 2050 von derzeit 14 auf danach 7 Terawattstunden fast halbieren.
Bei Strom wird Photovoltaik künftig die wichtigste erneuerbare Energiequelle in Wien. Zur Zielerreichung muss der Ausbau massiv forciert werden, sowohl von Dachanlagen auf Ein- und Mehrparteienhäusern als auch von Grünflächenanlagen. Darüber hinaus müssen die Wind- und Wasserkraftpotenziale in Österreich, ökologisch und gesellschaftlich vertretbar, voll genutzt werden. Sektorkopplung ist ein wesentlicher Schlüssel zum Umgang mit der volatilen Produktion aus Sonne und Wind sowie zur Stromnetzstabilisierung. „Besonders die Versorgungssicherheit muss auch die nächsten Jahrzehnte weiterhin mit hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und Spitzenlastkraftwerken gewährleistet werden“, verweist Strebl auf die ecofys-Ergebnisse. Durch die Teilelektrifizierung des Mobilitäts- und Wärmebereichs steigt der Strombedarf bis 2050 von heute 8 auf 13 Terawattstunden (exkl. Power-to-Gas) an.
Laut Ecofys-Szenario liegen die volkswirtschaftlichen Investitionskosten bis 2050 alleine im Großraum Wien bei 28 Milliarden Euro. „Um die Herausforderungen einer dekarbonisierten Zukunft erfolgreich zu meistern, ist ein starker politischer Wille, eine Finanzierung aus Mitteln des Bundesbudgets sowie eine enge Einbindung der verschiedenen städtischen Stakeholder erforderlich. Der nationale Gesetzgeber muss hierfür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen“, sagt Mathias Kube, Associate Director von Ecofys.
Wien Energie investiert in den nächsten fünf Jahren rund 870 Millionen Euro in Versorgungssicherheit, Erneuerbare Energielösungen, Innovation und Digitalisierung. Davon fließen allein 100 Millionen Euro in den Ausbau der Solarkraft, 15 Millionen Euro in den Bau von 1.000 neuen öffentlichen Ladestellen in der Stadt und weitere 120 Millionen Euro in digitale Lösungen und Innovationen.
Download der Studie unter: https://www.ecofys.com/
Quelle: Wien Energie