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14.11.2022

Wo versteckte Fernwärme schlummert

Der Ausstieg aus fossiler Energie benötigt kreative Lösungen. In Wien wird Abwasser der Therme Oberlaa verwertet, in Mürzzuschlag eine Skipiste zur Solarwiese
 
Laut Statistik Austria betrug der österreichische Endenergieverbrauch im Jahr 2021 knapp 1.121 Petajoule. Etwas mehr als die Hälfte davon entfiel auf die Wärmeversorgung von Industrie, Haushalten, Landwirtschaft und den Dienstleistungssektor. Ein Drittel des Bedarfs decken fossile Quellen, vor allem Erdgas. Das soll sich künftig ändern. Im Rahmen der österreichischen Wärmestrategie hat sich die Republik zum Ziel gesetzt, die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen in der Wärmeversorgung schrittweise zu reduzieren. Dafür müssen nicht nur erneuerbare Energieträger in die bestehende Infrastruktur integriert, sondern auch die Effizienz von Letzterer deutlich erhöht werden.
 
Welche Möglichkeiten es dabei gibt, wie sich diese technisch umsetzen lassen und ob sie in der Praxis dann auch halten, was sie versprechen, haben 28 Unternehmen und Forschungseinrichtungen im vierjährigen Forschungsprojekt Thermaflex untersucht. Es ist Teil des Green Energy Lab, einer Modellregion im Programm "Vorzeigeregion Energie", das vom Klima- und Energiefonds mit Mitteln des Klimaschutzministeriums ins Leben gerufen wurde. Zu den Projektpartnern zählten neben der TU Graz etwa das AIT Austrian Institute of Technology, FH Joanneum, Joanneum Research und Best Bioenergy and Sustainable Technologies.
 
Thermalwasser zum Heizen
Die Projektleitung lag bei AAE Intec, das Projektvolumen betrug rund 4,6 Millionen Euro. Kernelemente von Thermaflex sind elf sogenannte Demonstratoren. Das sind großtechnische Anlagen, die in existierende Fernwärmenetze eingebaut wurden und diese damit erweitern oder verbessern. Das Unterfangen war herausfordernd. "Bei Wärmenetzen, die in Betrieb sind, geht es um Versorgungssicherheit. Da ändert man nicht so einfach etwas", erklärt Projektleiter Joachim Kelz von AAE Intec. Acht dieser Demonstratoren sind bereits in Betrieb. Vielbeachtet ist beispielsweise die Abwärmenutzung der Therme Wien im Stadtteil Oberlaa. Anstatt das thermale Abwasser ungenutzt in den Kanal zu leiten, wird es jetzt dazu verwendet, um über eine Wärmepumpe Wasser der Fernwärme auf bis zu 85 Grad aufzuheizen. Seit Mai dieses Jahres ist die Lösung in Betrieb und versorgt mittlerweile etwa 1.900 Haushalte mit Wärme.
 
Wiederaufbereitete Energieträger
In einem weiteren Demonstrator wurde gemeinsam mit dem Wiener Kanalnetzbetreiber gezeigt, dass sogar schmutziges Wasser als "Energieträger der Zukunft" infrage kommt. Dazu wurde direkt im Kanal ein Wärmetauscher installiert, der aus dem Kanal ausgeleitetes Wasser als Wärmequelle nutzt. Das Temperaturniveau beträgt dabei zwar nur zwischen acht Grad und 20 Grad Celsius. Mittels Wärmepumpen wird es aber dann sukzessive auf die benötigte Vorlauftemperatur zwischen 70 Grad und 90 Grad Celsius erhöht.
 
Auch Rauchgas aus Verbrennungsprozessen kann – die passende technische Lösung vorausgesetzt – als nichtklassischer Energieträger verwendet werden. Das wurde im Rahmen des Thermaflex-Projekts anhand eines Biomassekraftwerks in Salzburg gezeigt. Dabei wird das Rauchgas zur Kondensation gebracht und die im Kondensat enthaltene Energie anschließend zum Antrieb einer Adsorptionswärmepumpe genutzt, die dann ihrerseits einen Wasserkreislauf der Fernwärme aufheizt.
 
Die Einbindung von Solarthermie in großem Maßstab war die Aufgabe bei einem Demonstrator in Mürzzuschlag. Auf einem ehemaligen Skihang wurde dort eine der größten solarthermischen Anlagen Österreichs errichtet. Neben Kollektoren auf einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratmetern beinhaltet die Anlage auch drei Wärmespeicher mit einem Gesamtvolumen von 180 Kubikmetern. Damit können 300 Haushalte versorgt werden. Eine Herausforderung bestand darin, das im Tal befindliche Wärmenetz mit der deutlich höher gelegenen Solaranlage zu verbinden. "Da gab es ein paar hydraulische Feinheiten zu klären", deutet Kelz an.
 
Ebenfalls in der Steiermark wurde eine Lösung zur Kopplung zweier, zuvor getrennter Wärmenetze der beiden Versorger Nahwärme Tillmitsch und Bioenergie Leibnitzerfeld umgesetzt. Der eine bezieht seine Energie aus zwei Biomasseheizwerken, der andere aus der industriellen Abwärme einer Tierkörperverwertung, die allerdings nur unter der Woche zur Verfügung steht. An Wochenenden und Feiertagen muss fossile Energie zugekauft werden. "Durch den Netzzusammenschluss kann jetzt die Biomassewärme aus dem Norden in den Süden transportiert und der Einsatz von Gaskesseln auf ein Minimum reduziert werden", erklärt Kelz. "Zur Regelung der Wärmeflüsse wurde ein Energiemanagementsystem entwickelt. Wir sehen, dass die Abstimmung zwischen den beiden Netzen enorme Reduktionspotenziale mit sich bringt."
 
Für 20.000 Haushalte
Die realisierten Demonstrator-Anlagen erzeugen insgesamt eine Wärmeleistung von 200 Gigawattstunden, was rechnerisch der Versorgung von etwa 20.000 Haushalten entspricht. Zudem können durch die umgesetzten Maßnahmen rund 45.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Die beteiligten Unternehmen konnten im Rahmen von Thermaflex zudem wertvolle Erfahrungen sammeln und Wissen generieren, das sie künftig in weiteren Projekten umsetzen können.
Anwendungsmöglichkeiten dafür bieten sich quer durchs Land jedenfalls zur Genüge. So gibt es in Österreich rund 3.000, meist kleine Wärmenetze mit einer Gesamtlänge von 5600 Kilometern. "Wir konnten zeigen, dass sich die Effizienz von bestehenden Anlagen um bis zu 30 Prozent erhöhen lässt", so Kelz. "Das Potenzial zur Reduktion der fossilen Anteile liegt – zumindest bei kleinen Netzen – bei bis zu 70 Prozent", erklärt Kelz.
 
 
Quelle: Standard/Raimund Lang, 31.10.2022

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